Zwei Tage, zwei Nachrichten. Am Donnerstag (10.12.) noch durfte man sich über das Signal vom EUGipfel in Brüssel freuen, dass sich die Staatschefs darauf geeinigt haben, bis 2030 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 55% gegenüber dem Niveau von 1990 festzuschreiben. Da im EU-Parlament sogar noch mehr gefordert wurde und demnach die Verhandlung die Zahl nur erhöhen kann, wird also tatsächlich in unmittelbarer Zukunft diese deutliche Reduktion für alle EU Mitgliedsstaaten Gesetz.
Am Freitag (11.12.) dann ungläubiges Augenreiben beim Blick in die Lokalpolitik in Lindau: Am kommenden Mittwoch (16.12.) soll im Stadtrat darüber entschieden werden, die Stadtbusflotte entgegen des bereits verabschiedeten Beschaffungsplanes nun doch nicht durch Elektrofahrzeuge, sondern stattdessen durch Diesel-Hybride zu ersetzen. Dem im Frühjahr mit großer Mehrheit gefassten Beschluss bezüglich der Batteriebusse war eine umfangreiche Machbarkeitsstudie vorausgegangen. 1300t CO2 sollten eingespart werden – jedes Jahr. Daneben Stickoxide und Feinstaub. Die Mehrkosten wurden auf Basis der heute noch gültigen Fördermöglichkeiten und Kosten von CO2- Ausstoß berechnet und waren den Stadträten vollumfänglich bekannt, als sie der Beschaffung ihre breite Zustimmung gaben. Eine lobenswerte Erfolgsgeschichte, gute, erfreuliche Nachrichten.
Doch nun auf einmal: Diesel. Verglichen mit einem herkömmlichen Dieselbus stößt ein Diesel-Hybrid immer noch 80-90% dessen schädlicher Abgase aus. Wie soll diese ungeheuerliche Kehrtwende vermittelbar sein? Möchte man wirklich ein solches Signal aus einer Stadt senden, die sich gern mit dem European Energy Gold Award schmückt? Mit Blick zurück auf den EU-Gipfel stellt sich jedoch noch viel mehr die Frage, ob sich nicht der heute noch prognostizierte finanzielle Vorteil in wenigen Jahren in einen gravierenden Nachteil verkehrt. Deutschland wird Mitte nächsten Jahres aufgefordert sein, in der EU die Übersetzung der Richtlinie für die CO2-Reduktion in nationales Recht vorzustellen. Sich die dafür zur Verfügung stehenden Instrumente auszumalen braucht wenig Phantasie. Natürlich werden die Fördermöglichkeiten für ÖPNV ausgebaut. Im für Lindau schlechtesten Fall könnten diese an Vorgaben zur Klimaverträglichkeit der Flotte geknüpft sein. Doch um eine so deutliche Reduktion des CO2-Ausstoßes auf 45% innerhalb von 10 Jahren zu erreichen wird man nicht umhinkommen gleichzeitig die Nutzung fossiler Brenn- und Kraftstoffe hart zu sanktionieren. Die CO2-Normen für Straßenfahrzeuge dürften verschärft werden. Man wird sich beim CO2-Preis schnell an erfolgreichen Modellen wie in Schweden (derzeit 114 Euro / Tonne) oder dem Vorschlag des Deutschen Institutes für Wirtschaft (Anstieg auf 180 Euro / Tonne) orientieren müssen, um eine relevante Lenkungsfunktion zu erreichen. Wenn die Zeit knapp wird und Kommunen ihren Beitrag zum Klimaschutz nicht leisten, könnten Fördermittel versagt oder gar Strafzahlungen fällig werden. 10 Jahre sind keine lange Zeit. Mit den Früchten einer Fehlentscheidung, wie dem Kauf einer kompletten Dieselflotte im Jahr 2021, würden sich auch noch die heute amtierenden Stadträte befassen müssen. Immerhin werden die neu beschafften Busse für genau den Zeitraum Bestand haben, in dem um jede Tonne CO2 gerungen werden wird.
Klima, Umweltverträglichkeit, Luftreinhaltung, Finanzen – um die Vorteile der Umstellung auf Batteriebusse zu erkennen, braucht es Ende 2020 keinen Weitblick. Wir fordern deshalb, dass die Stadträte verantwortlich und nachhaltig handeln und den im Frühjahr gefassten Beschluss bestätigen.
Gezeichnet
Parents For Future Lindau
Fridays For Future Lindau
Update 16.12.2020: 19-9 Stadträte stimmen für Diesel