Am 29. März findet die Stichwahl zur Oberbürgermeisterwahl im Kommunalwahljahr 2020 statt. Wir haben den Kandidat*innen gebeten zur Klimaveränderung und notwendigen Maßnahmen generell und in Lindau Stellung zu beziehen. Die beiden Kandidat*innen sind:
Wahlprüfstein-Antworten von Claudia Alfons
Ausgehend von den Forderungen von Fridays For Future und von der Tatsache, dass entschlossenes Handeln für den Klimaschutz auf allen politischen Ebenen notwendig und möglich ist, bitten wir Sie um die Beantwortung der folgender Wahlprüfsteine:
TEIL 1: klimapolitische Forderungen von Fridays For Future
1. Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist eine ernsthafte Bedrohung, der bei allen politischen Entscheidungen vorrangig zu berücksichtigen ist (Gretchenfrage).
JA – stimme zu
2. Ab 2035 dürfen nur so viel Treibhausgase ausgestoßen werden, wie durch natürliche Prozesse (Wachstum von Pflanzen etc.) wieder aufgenommen werden können (Nettonull).
JA – stimme zu
3. Der Kohleausstieg, also die Abschaltung aller Kohlekraftwerke, muss bis 2030 abgeschlossen sein.
JA – stimme zu
4. Deutschland muss bis 2035 seinen gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, auch in den Sektoren Verkehr/Transport und Wärme.
JA – stimme zu
5. Die Subventionen für die Förderung, Verarbeitung und Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Öl und Gas) müssen sofort beendet werden.
keine Angabe
In der Zielsetzung stimme ich grundsätzlich zu. Inwieweit eine sofortige Beendigung – v.a. in der gegenwärtigen Krise – realisierbar ist, scheint mir fraglich.
6. Einführung einer CO2-Steuer auf alle Treibhausgas-Emissionen. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss schnell so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut Umweltbundesamt sind das 180 € pro Tonne CO2.
JA – stimme zu
7. Klimagerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Ressourcen-Schonung sind ab sofort Muss-Kriterien bei allen kommunalen Entscheidungen.
JA – stimme zu
TEIL 2: kommunale Wahlprüfsteine für die Stadt Lindau
1. Klimastadt Lindau
1.1 Treten Sie dafür ein, dass Lindau eine Leuchtturmstadt für Klimaschutz wird und eine Vorreiterrolle in Bayern übernimmt?
JA – stimme zu
1.2 Die Neuauflage des städtischen Klimaschutzkonzepts steht in Lindau für 2020 an. Treten Sie dafür ein, dass Stadt und Landkreis Lindau bis spätestens 2035 in allen Sektoren klimaneutral werden?
JA – stimme zu
Wenn JA, werden Sie einen jährlichen Bericht über den Fortschritt des Klimaschutzkonzepts inklusive einer CO2-Bilanz einfordern?
JA – stimme zu
1.3 Sind Sie dafür, zum www.konventderbuergermeister.eu beizutreten? Die Unterzeichner des Konvents der Bürgermeister verpflichten sich freiwillig, bei der Reduzierung ihrer CO2-Emissionen über die EU-Ziele hinauszugehen und Bericht zu erstatten.
JA – stimme zu
Ich teile das Ziel, dass wir uns ambitionierte Ziele stecken. Das erfordert unseren vollen Einsatz und Engagement. Daher würde ich zusätzliche bürokratische Anforderungen und Berichtspflichten eher gering halten wollen, um nicht zusätzlich Kapazitäten zu binden.
1.4 Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) betrachtet das Wirtschaften nicht nur unter finanziellen Aspekten, sondern bezieht soziale und ökologische Auswirkungen in eine zu veröffentlichende Bilanz ein. Sind Sie für den Beitritt zum Netzwerk der GWÖ mit regelmäßiger Berichterstattung und Auditierung?
keine Angabe
Ich teile grundsätzlich die Ziele der GWÖ. Zurückhaltend bin ich allerdings gegenüber zusätzlichen bürokratischen Anforderungen durch Auditierung und Berichtspflichten. Für mich ist der praktische Effekt wichtiger als die Zertifizierung.
1.5 Der Klimawandel ist die große Herausforderung unserer Zeit und bringt unsere politische Willensbildung an ihre Grenzen. Sind Sie für die Entwicklung und Etablierung neuer Dialogformen und Begleitung politischer Willensbildung durch Bürgerräte und konsensuale Entscheidungen?
JA – stimme zu
Ihre Vision: Welche Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele werden Sie als erstes verfolgen?
Ich will, dass wir städtische Vorhaben künftig nach ihren Klima- und Umweltauswirkungen bewerten und unsere Anstrengungen gegen den Klimawandel gezielt mit einem Klimabeauftragten weiterentwickeln. Den positiven Effekt von Blühstreifen können wir ohne viel Aufwand verstärken. Wir werden CO2-intensive Verkehrsmittel reduzieren und auf neue Antriebsformen wie Elektro oder Wasserstoff setzen. Das gilt für den Stadtbus und künftige Shuttle- oder Rufbusse ebenso wie für Car-Sharing-Angebote, Fahrrad-Verleihstationen oder die Ansiedlung einer Wasserstofftankstelle. Wir haben innovative Unternehmern und erfahrene Ingenieure vor Ort, deren Know-how wir unbedingt nutzen sollten. Zudem gibt es zahlreiche Fördermaßnahmen durch EU, Bund und Freistaat, die wir prüfen sollten. Ich werde offen sein für neue Wege, um die Schönheit und Vitalität unserer Landschaft und Umwelt zu erhalten.
2. Mobilität & Verkehr
Die CO2-Emissionen im Sektor Verkehr sind bundesweit die einzigen, die immer noch jährlich steigen.
2.1 Treten Sie dafür ein, für Lindau eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs zu erreichen und den flächendeckenden Ausbau von Fahrrad-, Bus- und Bahninfrastruktur so voran zu treiben, dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und das Fahrrad für Endverbraucher stets das wirtschaftlichste Verkehrsmittel ist?
JA – stimme zu
2.2 Sind Sie dafür, dass ein maßgeblicher Teil des Verkehrsbudgets ab 2021 vom motorisierten Individualverkehr in Richtung öffentlichen Personennahverkehr und nicht-motorisierten Individualverkehr entsprechend dem NRVP (Nationaler Radverkehrsplan) umgeschichtet wird?
JA – stimme zu
2.3 In 2019 wurde ein Nahmobilitätskonzept unter Bürgerbeteiligung erstellt, dass ein ausführliches Radroutennetz für den Alltagsverkehr durch Lindau vorsieht und über 200 weitere Einzelmaßnahmen beinhaltet. Treten Sie dafür ein, dieses mit hoher Priorität und in allen Stufen umzusetzen?
JA – stimme zu
Bei der Umsetzung spielt Bürgerbeteiligung eine zentrale Rolle. Um eine hohe Akzeptanz der Maßnahmen zu erreichen, sind insbesondere die Anwohner der betreffenden Straßen gut zu informieren und einzubinden.
2.4 Tempo 30 innerorts senkt nachweislich die CO2-Emission und verbessert die Sicherheit. Treten Sie für eine flächendeckende Tempo-30-Zone innerorts für das gesamte Stadtgebiet und den Landkreis ein?
NEIN – stimme nicht zu
Ich halte Tempo 30 in vielen städtischen Straßen für sinnvoll. Deshalb haben wir in den sensiblen Bereichen wie Wohngebiete, Schulen, Altersheime, etc. Bereits Tempo 30 – im ganzen Stadtgebiet muss es m.E. nicht sein. Außerdem würde dies große Probleme für den Stadtbus nach sich ziehen.
2.5 Sind Sie dafür, dass Kernbereiche in den einzelnen Stadtteilen als „Shared Space“ zur Verbesserung unserer Lebensqualität und der Aufenthaltsqualität auf unseren Straßen und Plätzen konzipiert und umgesetzt werden?
JA – stimme zu
„Shared spaces“ finde ich einen faszinierenden Ansatz und der Erfolg in einigen skandinavischen Ländern zeigt mir, dass wir hier offen sein sollten.
Ihre Vision: Welche Ideen haben Sie, um den Verkehrsanteil des Stadtbusses von aktuell 8 % wesentlich zu erhöhen?
Um zu erreichen, dass die Lindauerinnen und Lindauer öfter das eigene Auto stehen lassen und den Stadtbus nutzen, ist wichtig, dass der Stadtbus (1.) pünktlich und (2.) erschwinglich ist. Beides müssen wir verbessern. Dazu brauchen wir ein Kurzstrecken-Ticket und Vergünstigungen für Schüler und Senioren, noch besser wäre eine grundsätzliche Herabsetzung der Ticketpreise. Um echte Anreize zu setzen, fände ich es gut, den Stadtbus z. B. samstags zum Markt kostenlos zu machen. Hier müssen wir gemeinsam im Bodo-Verbund gute Lösungen finden.
3. Bauen & Wohnen
3.1 Sind Sie dafür, dass für Lindau bis Ende 2020 ein verbindliches Wärme- und Kälteplanungskonzept ausgearbeitet und so eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2030 in Lindau erreicht wird?
JA – stimme zu
3.2 Sind Sie dafür, dass alle Neubauten Plusenergiehäuser werden? Hierfür muss die Nutzung von Photovoltaik (ggf. auch Solarthermie) auf Dächern verpflichtend sein. Auch Dächer und Fassaden von Bestandsgebäuden (Gewerbeparks, Sporthallen, Inselhalle u. Ä.) müssen bei Eignung mit Solarmodulen bestückt werden.
JA – stimme zu
Die Zielsetzung teile ich. Die Frage, wie dies finanziert werden und der Wohnraum zugleich bezahlbar bleiben kann, müssen wir gemeinsam ausarbeiten.
3.3 Treten Sie dafür ein, dass alle Bauprojekte der Stadt Lindau ab sofort, wann immer möglich, aus regionalen, kreislauffähigen, schadstofffreien und klimapositiven Materialien zur späteren Wieder- und Weiterverwendung gebaut werden müssen? Der Einsatz von Beton – als einem der größten CO2-Verursacher weltweit – muss auf diejenigen Anwendungen reduziert werden, für die keine Alternativen zur Verfügung stehen.
JA – stimme zu
Die Zielsetzung teile ich. Ich persönlich bin eine große Anhängerin alternativer Baustoffe, insbesondere Holz. Die Frage, wie dies finanziert werden und der Wohnraum zugleich bezahlbar bleiben kann, müssen wir gemeinsam ausarbeiten.
4. Landwirtschaft & Flächenverbrauch
4.1 Treten Sie für einen bewussteren Umgang mit Nahrungsmitteln und für die Verwendung regionaler, biologisch angebauter Produkte an städtischen Einrichtungen (Kantinen, Schulen, Kindergärten, Verwaltung etc.) ein?
JA – stimme zu
4.2 Treten Sie für eine Reduzierung des Fleischkonsums – wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt – und für die schrittweise Einführung eines “Meat Days” pro Woche an städtischen Einrichtungen (siehe 4.1) ein?
Keine Angabe
Die Zielsetzung weniger Fleisch zu konsumieren, teile ich. Dies über einen programmatischen „Meat Day“ zu erreichen, überzeugt mich nicht.
4.3 Die Neuauflage der städtischen Freiflächensatzung steht für 2020 an. Treten Sie dafür ein, den Einsatz von Pestiziden u. Ä. auf allen öffentlichen Flächen zu verbieten und ein Programm zur Förderung der Artenvielfalt aufzulegen?
JA – stimme zu
Ihre Vision: Der in Lindau pro Einwohner benötigte Wohnraum steigt seit Jahrzehnten an und auch damit der Verbrauch von Ressourcen und Emissionen. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um diesen Trend zu stoppen, um den Flächenbedarf zu reduzieren und landwirtschaftliche und städtische Grünflächen zu erhalten?
Ich stehe für eine vorausschauende Bodenpolitik, die Spekulation unterbindet und mit den Flächen in Lindau bewusst umgeht. Das gilt sowohl beim Bauen wie auch beim Verkauf oder Ankauf von Grundstücken. Mir ist es wichtig, dass wir vorhandene Flächen noch besser nutzen, z.B. durch Dachgeschossausbau und Nachverdichtung, oder indem wir Senioren dabei helfen, von einer großen in eine altersgerechte Wohnung zu wechseln und so Raum für Familien zu schaffen. Ich setze dabei auf Erbpacht, Baugenossenschaften und Konzeptvergaben sowie moderne, neue Wohnformen, in denen Alleinstehende, Familien, Alt und Jung Platz finden und zusammen kommen. Denn eins ist klar: Was und wie wir heute bauen, prägt das zukünftige Lindau.
Vielen Dank an Claudia Alfons!
Claudia Alfons wird unterstützt von der FDP, Lindau Initiative und Bürgerunion Lindau.